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Impuls zum Monatsspruch August 2025

„Gottes Hilfe habe ich erfahren bis zum heutigen Tag und stehe nun hier und bin sein Zeuge“ (Apostelgeschichte 26,22).
„Gottes Hilfe“: Hier steht ein sehr seltenes Wort (εὐπικουρία), das sonst nur noch in Weisheit 13,18 vorkommt. Im klassischen Griechisch sind damit die Hilfs- oder Söldnertruppen gemeint. Der ἐπίκουρος ist ein Verbündeter, der beisteht. ἐπίκουροι sind die Söldnertruppen im Gegensatz zur Bürgerwehr. Das Verb ἐπικουρέω bedeutet die Hilfe, die in der Not geleistet wird, besonders die Hilfe für einen Verbündeten. Das ἐπικούρημα und die ἐπικούρησις sind der Schutz gegen die Feinde des Verbündeten und anderem Übel. Das adverbiale ἐπικουρικός bedeutet helfend, assistierend, wenn von Truppen die Rede ist, die alliierten Hilfstruppen betreffend (Liddell-Scott Lexicon).
Warum verwendet Paulus diesen „weltlichen“ Ausdruck? Warum nicht den für die Hilfe durch Alliierte im Alten Testament viel häufigeren Begriff βοηθέω mit seinem hebräischen Äquivalent עזר? Er kommt gerade dort vor, wo von alliierter Hilfe die Rede ist, zum Beispiel in Josua 10,4.6.33; 2.Chronik 28,16. Vielleicht liegt der Grund darin, dass bei βοηθέω mehr der kämpferische Aspekt im Vordergrund steht, bei ἐπικουρέω mehr der des Verbündetseins. Und dass der Begriff βοηθέω durch den häufigen Gebrauch in den Makkabäerbüchern für die Ohren eines römischen Regenten vielleicht zu anrüchig war. So häufig βοηθέω auch im Alten Testament gebraucht wird, Paulus gebraucht es nicht. Die einzige Belegstelle bei Paulus in 2.Korinther 6,2 ist ein Zitat aus Jesaja 49,8.
Paulus beweist mit der Wahl dieses Begriffs großes Feingefühl für seine Zuhörer. Er vermeidet Konflikte dort, wo sie unnötig sind. Er möchte seine Zuhörer nicht vor den Kopf stoßen, sondern gewinnen. Wir können das auf die Gegenwart übertragen: Freilich muss sich ein Zeuge Jesu durch Wahrhaftigkeit ausweisen. Und zwischen Wahrhaftigkeit und Anstößigkeit ist ein Unterschied! Wer auch dann anstößig spricht, wo es sich vermeiden lässt (meiner Erfahrung lässt es sich in den meisten Fällen vermeiden), mag sachlich richtig liegen, verleugnet seinen Herrn aber in der Art und Weise, wie er spricht. In einer Zeit des gnadenlosen Hatespeech, der aufgeregten Agitation, des rechten Sprechs sollen und dürfen sich die Zeugen Jesu bewusst problematischer, zum Streit führender Begriffe enthalten und wohltuend unterscheiden. „Eure Rede sei allezeit freundlich und mit Salz gewürzt, dass ihr wisst, wie ihr einem jeden antworten sollt“ (Kolosser 4,6).
Martin Heißwolf