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Impuls zum Monatsspruch September 2025

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„Gott ist unsre Zuversicht und Stärke“ (Psalm 46,2).

Das Schöne am Hebräischen ist, dass es das Kopula „sein“ nicht hat. Die Sätze bleiben oft mehrdeutig und sind deshalb kraftvoll und reich, weil sie ohne die defintive Festlegungen auskommen, die uns etwa die deutsche Grammatik aufzwängt. So heißt Psalm 46,2 wörtlich: „Gott uns Schutzort und Stärke, Hilfe in Bedrängnissen, die sich zuhauf finden.“

Da ist zuerst einmal der Zuspruch: „Gott [ist für] uns!“ Alles mag gegen uns sein, Gott nicht. Gott nie! Dieser Satz findet bei Paulus seinen Höhepunkt: „Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein? … Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert?“ (Römer 8,31.35). Hier spricht ein Apostel, ein Gesandter Gottes, der wie alle Gesandten Gefahren und Bedrängnissen in besonderer Weise ausgesetzt ist. Diese besonderen Gefahren und Bedrängnisse fechten den Glauben besonders der Menschen an, die andere zum Glauben einladen. Sie sind gerade nicht darüber erhaben und brauchen den Zuspruch, dass Gott für sie ist, in besonderem Maße.
Auch in Psalm 46 wird dieses Wissen auf Notsituationen angewendete: „Gott ist [für] uns Schutzort und Stärke, Hilfe in Bedrängnissen, die sich zuhauf finden.“ Dabei muss man nicht gleich an den Weltuntergang denken, wie Luther das tut. Psalm 46,3-4 sprechen vom „Land, das sich verändert“ und von den „Bergen die in die Tiefen des Meers wanken“, von „tosenden und schäumenden Wassern, die mit ihrer Gewalt die Berge zum Zittern bringen.“ Es werden Erbeben, Flutkatasrophen und vielleicht sogar Tsumanis geschildert.
Wir erinnern uns gut an die Zeit vor 2000. Japan war in einer Panik, denn Michel de Notredame hatte den Untergang Japans vorausgesagt (Milne 2000, 9).((Milne, Antony. 2000. Doomsday: The Science of Catastrophic Events. Westport, CT: Greenwood Publishing Group.)) Es wurden Lebensmittel gehortet und manche bauten sogar Boote. Die Panik war schon sehr ansteckend.

Dann kann man und darf man den Vers auch so verstehen: „Gott [ist] uns [zugewandt].“ Er wendet uns sein Angesicht zu, lässt es strahlen über uns (4.Mose 6,24-26). Dieser Satz gipfelt auch in einem großen Pauluswort: „Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Retters, rettete er uns!“ (Titus 3,4-5), Das ist der Inhalt der Botschaft, mit der die Gesandten Gottes unterwegs sind. In Gefahren und Bedrängnissen, besondern unter den Anfeindungen gerade derer, die sie zum Glauben einladen, sind die Gesandten in der Gefahr zu vergessen, dass sich Gott nicht nur ihnen, sondern auch ihren Widersachern in Freundlichkeit und Menschenliebe zuwendet. Und dass es das durch seine Gesandten tun will.

Eine Betrachtung über Psalm 46,2 wäre nicht vollständig ohne Vers 5. „Dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig bleiben mit ihren Brünnlein, da die heiligen Wohnungen des Höchsten sind“ übersetzt Luther wunderschön aber leider ohne textliche Rechtfertigung. Wörtlich heißt es hier: „Wasserströme von Kanälen erfreuen die Stadt Gottes, die heiligen Wohnungen des Höchsten.“ Die Zusammensetzung „Wasserströme von Kanälen“ kommt nur hier vor. Bei Wasserströmen denkt man an große, natürliche Wasserläufe wie die aus Eden fließenden Ströme, wie Euphrat und Nil. Bei dem zweiten Wort denkt man an künstlich angelegte Bewässerungsgräben, die auch dann Wasser geben, wenn natürliche Wasserläufe versiegen, etwa wie in Psalm 1,3; 65,10.
Das heißt: Es fließt viel Wasser, Wasser im Überfluss, wie im Nil oder Euphrat. Es fließt beständig, wie das Wasser in Kanälen. Das erinnert natürlich an Johannes 7,37-39: „Aber am letzten Tag des Festes, der der höchste war, trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen. Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht.“ Daechsel erklärt: „Der achte Tag war ein besonderer Tag, weil das feierliche Wasserschöpfen ausblieb. An den Tagen davor wurde der Wüstenwanderung gedacht und täglich Wasser geschöpft. Der achte Tag war dem Gedächtnis des Einzuges in das Land Kanaan gewidmet. Das Wasser blieb aus, weil Israel am Ziel war. Daran knüpfte Jesus nun an. Und Hengstenberg schreibt: „Durch sieben Tage währte das Symbol; am achten Tage nun kommt seine Auslegung.“
Mit seinem Ruf, bei ihm Wasser zu schöpfen, knüpft Jesus an der Vorstellungswelt des Laubhüttenfestes an. Nicht aber so, dass er die Tradition negiert (Jeremias, Dietzfelbinger), sondern dass er im Gegenteil den tiefen theologischen Gehalt des Festes voraussetzt und eben damit die Frage nach seiner Identität beantwortet. Die Zielrichtung seines Rufes ist „die Erläuterung dessen, wer Jesus ist und was er – im Tod am Kreuz – der Welt gibt.“ Dazu K. Wengst: „Was mit Sukkot verbunden ist – heilvolle Fülle des Lebens -, sieht Johannes in Jesus gegeben und vergewissert seine Gemeinde und spricht ihr zu, im Glauben an Jesus solche Fülle des Lebens zu haben.“ Es geht um eine Inhaltliche Qualifizierung dessen, was in Jesus empfangen werden kann: „eine solche Fülle des Lebens und des Heils, wie sie in der Wasserspende von Sukkot symbolisiert ist, die die Urwasser der Schöpfung und die Heilswasser der Wüstenzeit und der Endzeit in sich vereint“ (Felsch, Dorit: Die Feste im Johannesevangelium: jüdische Tradition und christologische Deutung, 2011, 215-217).
„Wer zu mir kommt , den will ich also zubereiten, daß er nicht allein für seine Person soll gelabt und erquickt werden … sondern will ihn zu einem starken, steinern Faß machen, ihm den heiligen Geist und Gaben geben, daß er zu andern Leute fließe, sie tränke, tröste, stärke, vielen anderen Leuten auch diene, wie ihm durch mich geholfen ist“ (Luther).

Martin Heißwolf