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Impuls zum Monatsspruch Juni 2025

„Petrus erklärte ihnen: ‚Euch ist ja bekannt, dass es einem jüdischen Mann nicht ziemt, einem Fremdstämmigen loyal zu sein oder auch nur zu ihm zu gehen. Mir nun hat Gott aber gesagt, dass ich niemanden profan oder unrein nennen soll, keinen Menschen!'“ (Apostelgeschichte 10,28).
Dieser Text ist von großer Bedeutung für die Missionstheologie. Ich möchte nur drei Begriffe herausgreifen:
Erstens: „Umgehen“ (κολλῶ)
Ein jüdischer Mann soll mit einem Fremdstämmigen „umgehen“. So übersetzt Martin Luther dieses Verb. Tatsächlich steht hier im Grundtext ein Wort, das im Deutschen in Worten wie Kollagen oder Kollage vorkommt. Matthäus verwendet dieses Wort in Matthäus 19,5 für das Zitat aus 1.Mose 2,24: „Ein Mann wird Vater und Mutter verlassen, ihnen die Loyalität aufkündigen, und an seiner Frau hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein.“ Hinter dem Wort „hängen“ steht ein hebräisches Wort, das die stärkste, im Altertum bekannte Verbindung, bezeichnet. Gemeint ist nicht die körperliche Verbindung, sondern die Loyalität. Hier kann es zu einer großen Gefahr kommen. „Aber der König Salomo liebte viele ausländische Frauen: die Tochter des Pharao und moabitische, ammonitische, edomitische, sidonische und hetitische – Und er hatte siebenhundert Hauptfrauen und dreihundert Nebenfrauen; und seine Frauen verleiteten sein Herz. Aus solchen Völkern, von denen der HERR den Israeliten gesagt hatte: Geht nicht zu ihnen und lässt sie nicht zu euch kommen; sie werden gewiss eure Herzen ihren Göttern zuneigen. An diesen hing Salomo mit Liebe“ (1.Könige 11,2). Aus dem Hängen an lieben Menschen wird das Hängen an ihren Göttern. Aus der Loyalität gegen Fremde die Loyalität gegen ihre Religionen und Götter. Vor der Illoyalität gegen Gott wird deshalb immer wieder auf das schärfste gewarnt: 5.Mose 6,13: „Du sollst den HERRN, deinen Gott, fürchten und ihm anhangen und bei seinem Namen schwören!“ 5.Mose 10,20: „Den HERRN, deinen Gott, sollst du fürchten, ihm sollst du dienen, ihm sollst du anhangen und bei seinem Namen schwören.“
Aus dem Ernst, die Loyalität gegen Gott ja nicht zu verlassen, wurde mit der Zeit eine jüdische Sitte, Fremdstämmige zu meiden, ja sie sogar zu hassen. Sie wurden allesamt als profan erklärt.
Zweitens: „Meiden“
Wo Martin Luther „meiden“ übersetzt, steht im Grundtext das seltene Adjektiv κοινός: Es bezeichnet das „Allgemeine“, oft auch abschätzig das „Gemeine“ genannt. An dieser Stelle können wir es mit „profan“ übersetzen. Profane Menschen sind hier alle, die nicht zu dem heiligen Volk Gottes gehören. Rein sachlich gesehen ist an der Gegenüberstellung von Heilig und Profan nichts auszusetzen. Hässlich wird sie, wenn sie das eigene Volk überheblich erhöht und alle anderen verächtlich macht und erniedrigt.
Drittens: „Nicht erlaubt“ (ἀθέμιτος)
Das hier im Grundtext verwendete Wort finden wir nur hier und noch ein zweites Mal auch bei Petrus (1Pe 4,3) Deshalb ein Blick in die griechische Klassik:
In dem Werk Antigone enthüllt Sophokles (5. Jh. v. Chr.) das Schicksal, das die Kinder des Ödipus ereilt. Polyneikes, der Sohn des Ödipus, hat ein aufständisches Heer gegen seinen Bruder Eteokles, den Herrscher von Theben, geführt. Beide sterben im Zweikampf. Als ihr Onkel Kreon die Herrschaft übernimmt, befiehlt er, dass der Leichnam des Rebellen Polyneikes unbestattet und unbeweint bleiben soll, und warnt, dass jeder, der sich seinem Erlass widersetzt, mit dem Tod bestraft wird. Der Befehl Kreons wird als ἀθέμιτος dargestellt.
Antigone, die Schwester von Polyneikes, missachtet Kreons Befehl und bestattet ihren Bruder, mit der Begründung, dass sie zuerst die Gesetze der Götter achtet. Zornig verurteilt Kreon sie dazu, in einer Höhle lebendig eingemauert zu werden, um dort zu sterben. Wie die Götter an Kreon Rache nehmen, bildet das packende Ende dieser fesselnden Tragödie.
Der Fluch über Ödipus wirkt weiter und verfolgt die jüngere Generation. Die Tochter von Ödipus und Iokaste, Antigone, ist eine ungewöhnliche Heldin, die ihre Überzeugungen gegen den König von Theben in einem blutigen Kräftemessen verteidigt, das nur wenige unversehrt überstehen. In einem emotional aufgeladenen Konflikt fordert sie das Recht ein, ihren eigenen Bruder zu begraben. Entschlossen, aber dem Untergang geweiht, zeigt Antigone im gesamten Stück ihre innere Stärke.
In diesem Drama wird der Befehl Kreons als ἀθέμιτος bezeichnet. Antigone sieht sich dem göttlichen Gebot verpflichtet und beerdigt ihren Bruder. Indem Petrus dieses Wort benutzt, zeigt er: Die Regeln des Fremdenhasses entsprechen zwar der Sitte und dem, was die Führer des Volkes predigen. Aber Gottes Gebot entsprechen sie nicht.