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Kalenderblatt: Robert Henry Codrington

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Am 11.9.1922 starb Robert Henry Codrington, anglikanischer Priester und der erste Anthropologe Melanesiens in Chichester, Sussex, England.
Robert Henry Codrington wurde am 15. September 1830 in Wroughton, Wiltshire, England, geboren. Er erhielt seine Ausbildung an der Charterhouse School und am Wadham College in Oxford, wo er 1855 Fellow des Colleges wurde. Im selben Jahr wurde er zum Diakon ordiniert, 1857 dann zum Priester. Im Jahr 1860 wanderte Codrington nach Nelson, Neuseeland, aus, wo er vier Jahre in der dortigen Diözese arbeitete, bevor er sich John Patteson und der Melanesian Mission anschloss. Von 1871 bis 1877 stand er als Leiter an ihrer Spitze und war gleichzeitig Rektor der Missionsschule St.Barnabas, Norfolk Island, an der Tausende von Schülerinnen und Schüler aus dem Pazifik studierten. Auf seinen Reisen durch Melanesien unternahm er die erste systematische Untersuchung der melanesischen Gesellschaft und Kultur. Auch die Informationen von seinen Schülerinnen und Schülern flossen in seine Studien ein. 1887 beendete Codrington seine Missionsarbeit in Melanesien und kehrte nach England zurück, wo er als Prebendary von Chichester wirkte (1887–1922). 1888 wurde er Pfarrer in Wadhurst, Sussex (1888–1893), und 1894 Prüfungs-Chaplain des Bischofs von Chichester (1894–1901). Zudem lehrte er 25 Jahre lang am Chichester Theological College (_____, Papers).
Neben seinen zahllosen Artikeln und Bibelübersetzungen sind Codringtons anthropologische Schriften von großer Bedeutung. Er untersuchte die Praktiken und sozialen Ordnungen der Melanesier umfassend und systematisch. Ebenso forschte er zu ihren Sprachen. Sein Anliegen war es, „aufzuschreiben, was die Einheimischen selbst sagen, nicht das, was die Europäer über sie sagen.“ All dies schildert er im Vorwort zu The Melanesians: Studies in Their Anthropology and Folklore (1891, 1957), das als Ergänzung zu The Melanesian Languages (1885) gedacht ist. Seine Schriften wurden in der Anthropologie vor allem deshalb wichtig, weil er den Begriff Mana prägte, der die Forschung über „primitive“ Religionen stark beeinflusst hat. (Whiteman, Codrington, 141-142) In The Melanesians behandelt er neben dem Mana-Konzept „Magie und verwandte Phänomene, […] Gesellschaftsstrukturen und Geheimgesellschaften (Sahay, Anthropological Thought, 58).
Codrington ermutigte Pazifikinsulaner, selbst über ihre Bekehrungen und die damit verbundenen soziologischen Faktoren zu schreiben – ein Beispiel ist Story of a Melanesian Deacon: Clement Marau, übersetzt von Robert Henry Codrington (1894). Zusammen mit J. Palmer veröffentlichte er außerdem das Dictionary of the Language of Mota (1896) (Whiteman, ebd.).

Quellen:
_____: Codrington, Robert Henry, Reverend, in: The Routledge Dictionary of Anthropologists (Hg. Gerhard Gaillard), 2004, 30.
_____: Microfilm of the papers of the Codrington Family, in: Bodleian Archives & Manuscripts; Link.
Fortune, Kate: Robert Codrington, in: The Pacific Islands: An Encyclopedia (Band 1) (Hg. Brij V. Lal, Kate Fortune), 2000, 190.
Marau, Clement: Story of a Melanesian Deacon: Clement Marau, 1894.
Sahay, Vijoy S.: Anthropological Thought: From Evolutionism to Postmodernism and Beyond, 2024.
Whiteman, Darrell: Codrington, Robert Henry, in Biographical Dictionary of Christian Missions (Hg. Gerald H. Anderson), 1998, 141-142; Link.