Japanisches Heilsverständnis

Martin Heißwolf, Japanisches Heilsverständnis: Soteriologie im Kontext des japanischen Animismus. – mission academics 36.

Zum Inhalt:

Das vorherrschende Weltbild Japans ist animistisch. Das heißt für die Soteriologie: Sie hat keine Beziehung zu Gott, dem Schöpfer. Unheil und Heil werden deshalb nicht in Bezug zu Gott formuliert, sondern anders:

– kosmologisch: Unheil ist Bedrohung durch übermenschliche Mächte; Heil wird durch Schutzzauber und Wahrsagerei gesucht;

– soziologisch: Unheil wird als Beschämung und Ächtung erfahren; Heil als Rehabilitation;

– anthropologisch: Unheil wird als Verunreinigung des Menschen gefürchtet; Heil durch verschiedene Reinigungsriten gesucht.

Bei der Diskussion dieser Ansätze nimmt der Verfasser dankbar an, was er im Animismus als biblisch richtig erkennt, und er überdenkt kritisch, was ihm biblisch fragwürdig erscheint.

Der Rahmen des japanischen Heilsverständnisses ist rein diesseitig. Heil wird als Gesundheit, Glück, Reichtum, Fruchtbarkeit und langes Leben verstanden. der Verfasser diskutiert diese Diesseitigkeitsorientierung mit christlichen Ansätzen und kommt zu folgenden Eckwerten:

– In der christlichen Heilslehre spielt das Leiden eine zentrale Rolle.

– Eine zu starke Orientierung auf die „kommende Welt“ kann zu ethischer Seichte führen, eine zu starke Orientierung auf die „kommende Welt“ zu einer gefährlichen ethischen Relativierung.

– Die Hoffnung auf die kommende Welt darf weder durch ihre Erhebung zum Prinzip ihrer geschichtlichen Wahrheit beraubt werden, noch darf sie selbst geschichtlicher Wirklichkeit entbehren.

– Was die Beziehung zu Gott angeht, ist der Mensch ganz Objekt des göttlichen Heilshandelns. Was das christliche Handeln angeht, ist der Mensch zum Handeln „im Herrn“ berufen.

 

Vorwort von Prof. Dr. Lothar Käser:

Mit seiner Dissertation legt der Autor eine Arbeit vor, die ich – verglichen mit Untersuchungen einschlägiger theologischer, missiologischer und ethnologischer Art – zumindest für den deutschen Sprachraum als modellhaft, wenn nicht sogar als bahnbrechend bezeichnen will. Dies aus zwei Gründen.
Es handelt sich erstens um die akribische Beschreibung eines Ausschnitts aus den Bereichen japanischer Spiritualität und Gesellschaftswirklichkeit, dessen Kenntnis von grundsätzlicher Bedeutung für denjenigen ist, der den japanischen Denkrahmen nicht von einem europäisch-westlichen Standpunkt verstehen und beurteilen, sondern in einer Weise kennenlernen will, wie Japaner selbst ihn verstehen. Dieser Denkrahmen ist zwar ethnozentristisch, was bedeutet, dass die Menschen, die ihn benützen, zu Urteilen über sich und die Welt kommen, die subjektiv und unvollkommen sind. Ethnozentrisch in diesem Sinn denkt aber auch der fremde Beobachter. Nähme er zur Erklärung japanischer Begrifflichkeiten nur seinen eigenen Denkrahmen, käme auch er nur zu subjektiven und unvollkommenen Urteilen. Dies vermeidet der Autor, indem er die bei-den Denkvoraussetzungen strikt auseinanderhält. Er stellt also zunächst fest, welche Vorstellungen zu seinem Untersuchungsgegenstand in der japanischen Gesellschaft als Standard gelten. Danach erst vergleicht er sie mit denen, die er als europäisch-westlicher Beobachter, Theologe und Missionar vertritt. So sieht, zumindest vom Standpunkt der Ethnologie, methodisch korrektes Arbeiten aus.
Der zweite Grund, warum ich diese Untersuchung für bahnbrechend halte, ist der Zugriff, mit dem der Autor seinen Forschungsgegenstand angeht. Es ist die Sprache. In allen Teilbereichen, sei es nun der japanische Animismus, sein Welt- und Menschenbild, oder die Details der japanischen Ethik, geht der Autor vom Vokabular aus, das die japanische Sprache bereit hält, um über Bedeutungen und Wortfeldstrukturen zu einer klaren Begrifflichkeit zu kommen. Dieses Verfahren, von der kognitiven Ethnologie seit etwa vierzig Jahren mit Erfolg angewandt, führt zu nach-prüfbaren Feststellungen und bietet dem Fremden, der in der fremden Gesellschaft tätig werden soll, den für ihn notwendigen Zugang zum Denken und Empfinden der Menschen. Forschungen dieser Art sind dem Fremden nur möglich, wenn er über Sprachkenntnisse verfügt, die weit über das Alltägliche hinaus gehen. Weil solche Sprachkenntnisse nur erworben werden können, wenn der Forscher über lange Zeiträume im Land selbst und mit den Menschen zusammen lebt, wie der Autor, gibt es im deutschen Sprachraum Publikationen dieser Art bislang nur selten.
Es ist zu hoffen, dass dem Werk nicht nur die Anerkennung zuteil wird, die es verdient, son-dern dass die einschlägige Fachwelt den Modellcharakter erkennt, den es zweifellos hat.